„Am 19. d. Monats haben wir die Absicht unsere Wagen zwischen 11 und 12 Uhr zur Verfügung der hohen königlichen und städtischen Behörden zu stellen, damit hoch dieselben sich von der Vollkommenheit unserer … Einrichtung überzeugen können, worauf wir den öffentlichen Dienst zu eröffnen wünschen.“ So schrieben die Herren de la Hault und Donner 1872 an den königlichen Polizeipräsidenten. „Königlich”, denn die stolze Reichsstadt Frankfurt gehörte seit dem Deutschen Krieg 1866 zu Preußen.
„Den beiden belgischen Herren gehörte das Brüsseler Unternehmen ‚Donner & F. de la Hault & Cie‘, das die Konzession für den Betrieb einer Pferdbahn in Frankfurt erhalten hatte. Der 19. Mai – im Jahr 1872 der Pfingstsonntag – war dann die Geburtsstunde der Frankfurter Straßenbahn. Die neu gegründete ‘Frankfurter Trambahn Gesellschaft (FTG)’ eröffnete ihre erste Strecke. Sie verlief ab Schönhof durch Bockenheim bis zum Schillerplatz er heutigen Hauptwache”, so der Tram-Fan und Aufsichtsratsvorsitzende der VGF, Oberbürgermeister Peter Feldmann.
Waren anfänglich 20 Pferde im Einsatz, stieg ihre Zahl bis zum Jahr 1900 auf mehr als 900. Die für die Pferdebahnen eingesetzten Kaltblüter und stammten aus den Ardennen, später aus Dänemark, und waren zum Teil bei der Kavallerie oder Artillerie geschult worden.
Unter Strom
Nach der Erfindung der Dynamomaschine durch Werner Siemens begann der Elektromotor seinen Vormarsch und die neue Technik machte auch vor der Frankfurter Pferdebahn nicht Halt. Zunächst fuhr, ins Leben gerufen von der neu gegründeten „Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft (FOTG)“, vom 18. Februar 1884 an eine elektrische Straßenbahn zwischen der Alten Brücke in Sachsenhausen und dem Buchrainplatz in Oberrad. Die Linie, die noch im selben Jahr bis in die Nachbarstadt Offenbach verlängert wurde, war die einzige Meterspur in Frankfurt. Das und die Tatsache, dass die Wagen nur einen kurzen Radstand hatten, brachten ihr den wenig schmeichelhaften, aber einprägsamen Spitznamen „Knochenmiehl“ ein.
Das neue System, kurz „die Elektrische“ genannt, etablierte sich trotzdem: Die Stadt übernahm zum 1. Januar 1898 alle „FTG“-Linien (die Linie Rödelheim – Schönhof erst zum 1. August 1900) und elektrifizierte nach und nach die Frankfurter Pferdebahn-Linien. Am 10. April 1899 fuhr die erste städtische „Elektrische“ zwischen Palmengarten (Osteingang) und Bornheim (Postamt). Pferdebahnen waren immer noch im Einsatz, so dass um die Jahrhundertwende „Elektrische“ und Pferdebahn gemeinsam für eine erste Art von Massenmobilität sorgten.
Der erste Weltkrieg
Der erste Weltkrieg bedeutete massive Einschnitte für Deutschland im allgemeinen, den Frankfurter Nahverkehr im Besonderen, denn notwendige Ressourcen wurden ins Militär umgeleitet, viele Männer mußten an die Fronten. Der Trambahn-Boom der Gründerzeit war zu Ende. Zwar blieben Zerstörungen in deutschen Städten aus, der Krieg hatte deutsches Territorium nicht erreicht, aber auch die Nachkriegszeit war zunächst eine Mangelwirtschaft. Straßenbahn-Linien wurde ein- oder auf den neuen Bus umgestellt.
Zerstörung und Wiederaufbau
Aufschwung und Normalisierung kamen langsam, aber stetig. Doch 1933 änderte sich alles. Im März begann die Nazi-Herrschaft – auch Frankfurt bekam einen „braunen“ OB – und sie bedeutete für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des städtischen Verkehrsbetriebs zunächst den Verlust ihres Arbeitsplatzes, in vielen Fällen folgten Vertreibung und Ermordung. Der Zweite Weltkrieg war von 1939 an eine weitere Zäsur für den Frankfurter Nahverkehr. Einen Teil der Straßenbahn-Infrastruktur hielt der städtische Betrieb mühsam aufrecht. Mit den zum Transport eingesetzten „Gemüsetrams“ wurde die Bevölkerung mit Lebensmitteln und Heizmaterial versorgt. Bei den schweren Luftangriffen 1944 wurden jedoch ein großer Teil der Fahrzeuge und fast alle innerstädtischen Depots zerbombt. Kurz vor Kriegsende zerstörte die Wehrmacht aus kriegstaktischen Gründen die Mainbrücken und brachte damit den kompletten Straßenbahnbetrieb vorläufig zum Erliegen.
Doch die Frankfurter:innen packten an, und schon am 24. Mai 1945 verkehrten wieder zwei Straßenbahnlinien zwischen Nied und Bornheim. Die unmittelbare Nachkriegszeit endete in den 1950er-Jahren mit dem kompletten Wiederaufbau des Netzes sowie der vorerst letzten Erweiterung der bestehenden Strecken nach Höchst und der Strecke von Bornheim in den Riederwald. Auch im Fuhrpark gab es Innovationen, so wurden 1955 die beiden ersten Duewag-Großraumwagen der modernen Baureihe „L“ in Betrieb genommen. 1959 folgten dann die ersten Gelenktriebwagen der Baureihe „M“, die genau wir ihre größeren „Geschwister“, die 1963 in Dienst gestellten „N“-Wagen mit Anhängern betrieben werden konnten.
Die Tram bekommt Konkurrenz
In den 1960er-Jahren erfuhr die Frankfurter Straßenbahn dann einen Dämpfer: Im deutschen Wirtschaftswunder nahm der Autoverkehr rasant zu und die Tram sollte ihm weichen. Am 4. Juli 1961 traf die Stadtverordnetenversammlung die Entscheidung, ein Stadtbahnsystem aufzubauen und die Straßenbahnlinien in der Innenstadt in Tunnel zu verlegen. Ein Vorteil dieses Systems war, dass man die Tunnelstrecken außerhalb der Innenstadt provisorisch an die vorhandenen Straßenbahnstrecken anschließen konnte. Fast zeitgleich mit der Entscheidung zum Bau der U-Bahn begannen in den 60er-Jahren die Planungen zum Bau einer S-Bahn, die Städte und Gemeinden in einem Umkreis von 30 km an die Frankfurter Innenstadt anschließen sollte. Die Straßenbahn verlor an Bedeutung, sie wurde mehr und mehr zurückgedrängt, zahlreiche Linien wurden aufgrund der Bauarbeiten für U- und S-Bahn umgeleitet oder letztlich komplett eingestellt.
Nach Fertigstellung der drei U-Bahn-Tunnel und des S-Bahn-Tunnels sollten, gemäß dem städtischen Entwicklungskonzept „Schienenfreie Innenstadt“, alle Straßenbahnstrecken in der Innenstadt stillgelegt werden. Gegen diese Pläne formierte sich eine Bürgerinitiative, die innerhalb eines Jahres fast 60.000 Unterschriften für den Erhalt der Straßenbahnstrecken sammelte. Die Frankfurterinnen und Frankfurter wollten „ihre Tram“ nicht aufgeben. Seit 2003 und der Eröffnung der neuen Tram in den Rebstock ist das Straßenbahnnetz wieder um einige Kilometer gewachsen, an die Einstellung des Betriebs denkt heute niemand mehr. Im Gegenteil: Auch in Frankfurt hat die Tram als leistungsfähiges und verhältnismäßig kostengünstiges innerstädtisches ÖPNV-System eine Renaissance erlebt.
Heute besitzt Frankfurt ein gut ausgebautes Nahverkehrssystem und das moderne Mobilitätangebot bietet den Frankfurter:innen und Pendeler:innen schnelle Verbindungen und umweltfreundliche Verkehrswege. Die Entwicklung der Fahrgastzahlen macht das Wachstum des städtischen ÖPNV deutlich: Der Zahlenspiegel 1997 weist 136,9 Millionen Fahrgäste in U- und Straßenbahnen aus. 1997 ist insofern von Bedeutung, als es das erste volle Geschäftsjahr der zum 31. Dezember 1996 gegründeten Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH ist. Hinzu kamen 35,3 Millionen Fahrgäste in den damals noch von der VGF betriebenen Bussen. 2019, dem letzten „Normaljahr“ vor Corona, wies die VGF in U- und Straßenbahnen 202,5 Millionen Fahrgäste aus.
Und noch einmal ein Vergleich, diesmal zwischen 1997 und 2020: Die Betriebsstreckenlänge betrug 1997 56,12 U-Bahnkilometer, 59,46 km bei der Tram. 2020: 64,85 km bzw. 68,67 km. Im Fuhrpark waren 1997 224 U-Bahnen und 110 Straßenbahnen, 2020 waren es 261 bzw. 112. Auch hier hat die VGF kräftig investiert: in 23 neue Mittelteile der „U5“-Wagen und in 58 neue Straßenbahnen des Typs „T“, die die älteren „R“-Wagen nicht nur ersetzen, sondern den Fuhrpark auch erweitern werden.
Mit der Tram in die Zukunft
Mit dem „T“-Wagen, dessen erstes im März ausgeliefertes Exemplar sich aktuell im Testbetrieb befindet und voraussichtlich im Herbst in den Fahrgastbetrieb gehen wird, stehen die Zeichen der Frankfurter Straßenbahn also weiter auf Zukunft! Im städtischen Nahverkehrsplan 2025+ spielt die Straßenbahn eine zentrale Rolle. Neue Strecken und dichtere Takte sollen kommen, um das stetig steigende Fahrgastaufkommen bewältigen zu können. Essentiell ist dafür auch das neue Zugsicherungssystem der VGF, das in den Zukunftsprojekten „Digital Train Control System Frankfurt“ und „Frankfurt MIND(+)“ umgesetzt wird und ein großes Plus an Verlässlichkeit, Komfort und Kapazität ermöglicht.
Lesestoff und Zeitreise zum Jubiläum
Anlässlich des 150. Geburtstags der Straßenbahn in Frankfurt hat die VGF zwei spannende Neuveröffentlichungen aufgelegt. Die hochwertig gebundenen Bildbände zur Geschichte der Trambahn und zur Zukunft der Mobilität in Frankfurt werden pünktlich zum Jubiläum erscheinen. Bildreich und mit viel Hintergrundinformationen erzählen sie in Band 1 nicht nur die Geschichte der Trambahn von der ersten Pferdebahn bis heute, sondern geben im zweiten Band einen Einblick in Frankfurts Nahverkehr in den nächsten Jahren.
Die Bücher „150 Jahre Trambahn in Frankfurt“ sind im TicketCenter der VGF an der Hauptwache, über den Buchhandel oder unter 150-jahre-trambahn-frankfurt.de unter , ISBN 978-3-9823577-3-7 für 19,50 Euro zu erwerben.
Auch zum Basteln und Spielen hat sich die VGF etwas einfallen lassen: Von Pferdebahn, „M“- und „O“-Wagen sowie dem Ebbelwei-Express gibt es eine Sonder-Editionen als Bausatz der Firma „Brixies“, die vom 19. Mai an ebenfalls im TicketCenter an der Hauptwache erwerbbar sind. Die Auflage ist limitiert.
Und last but not least gibt es die ganzen 150 Jahre Geschichte des Nahverkehrs in Frankfurt bebildert und mit neuen und alten Videos aufbereitet als digitale Ausstellung unter zeitmaschine.vgf-ffm.de zu erkunden.
Da darf gratuliert werden:
Peter Feldmann, Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der VGF:
„Die Straßenbahn ist mehr als eine technische Errungenschaft! Ihre Premiere 1872, vor 150 Jahren, fiel nicht zufällig in eine Zeit des Aufbruchs. Die Reichsgründung 1871 hatte eine beispiellose Hochkonjunktur-Phase eingeläutet, die Industrialisierung war in vollem Gange. Frankfurt wuchs – und schrumpfte durch das neue Verkehrsmittel zugleich zusammen. Ehemals weit entfernte Vororte waren nur noch ein paar Haltestellen entfernt – und damit Theater, öffentliche Plätze und der Römer. Eine Pferdebahn mag aus heutiger Sicht nostalgisch wirken. Anno 1872 war sie eine Revolution. Sie versprach Teilhabe. Sie war ein Verkehrsmittel für alle. Der Edelmann nahm dort neben dem Arbeiter Platz. Und die Erfolgsgeschichte geht weiter. Denn die Zeiten, in denen man die Tram in Frankfurt aufs Abstellgleis stellen wollte, sind längst Geschichte. In ihrem 150. Jahr ist die Straßenbahn aktueller denn je, Stichwort Elektromobilität. ‚Neue Gleise statt Abstellgleis‘ lautet das Motto nun. Zurecht, denn ohne die gute alte ‚Elektrische‘ droht der Verkehrsinfarkt. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, liebe Trambahn! Ich freue mich heute schon auf die historische Nachtfahrt am Samstag.“
Stefan Majer, Dezernent für Mobilität und Gesundheit:
„150 Jahre Straßenbahn in Frankfurt. Herzlichen Glückwunsch zu diesem beeindruckenden Jubiläum! Damals wie heute leistet die Trambahn einen entscheidenden Beitrag zu einem leistungsfähigen Mobilitätsangebot und das möchten wir in den kommenden Jahren weiter ausbauen und stärken. Denn nur mit einem leistungsstarken und gut vernetzten ÖPNV können wir die klimagerechte Mobilitätswende erfolgreich umsetzen. Das ist unsere Aufgabe für die Zukunft. An dieser Stelle möchte ich mich auch herzlich bei allen bedanken, die tagtäglich dafür sorgen, dass die Frankfurter:innen und Pendler:innen mit der Straßenbahn sicher und pünktlich ihre Ziele in Frankfurt erreichen, was für eine beeindruckende Leistung. 150 Jahre alt und immer noch zukunftsfähig, das muss man erst einmal schaffen – alles Gute, liebe Trambahn! Ich freue mich darauf, diese Erfolgsgeschichte als Teil der Mobilitätswende gemeinsam mit den Mitarbeitenden der VGF fortzuschreiben.“
Pressekontakt:
VGF-Unternehmenskommunikation
069 213 27495
E-Mail: presse@vgf-ffm.de
Bitte beachten Sie unsere Informationen zur Datenschutzgrundverordnung: www.vgf-ffm.de/Datenschutz